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Freitag, der zweite Tag der Buchmesse. Abends beim Gmeiner
Verlag ist die große Release Party mit Wodka und Wasser. Bernd Hesse liest aus
seinen Buch "Rubel Rotlicht und Raketenwerfer" vor und erzählt uns
ein wenig darüber. Auch von seiner Arbeit als Strafverteidiger. Und na klar
wird immer wieder zugeprostet :-)
Nach der kleinen Lesung habe ich das große Glück gehabt und
durfte Herrn Dr. iur. Dr. phil. Bernd Hesse kurz interviewen. Vielen Dank Herr
Hesse, dass Sie kurz für mich Zeit genommen haben.
Zusätzlich habe ich dann danach dem Strafverteidiger einige
Fragen zugeschickt. Und damit gab mir Herr Hesse einen sehr interessanten
Einblick in seine Arbeit. Jedenfalls habe ich damit auch eine andere Ansicht
bekommen in die Arbeit eines Strafverteidigers. Es ist ja oft, dass man denkt,
oh, wie kann man so einen vertreten, aber Herr Hesse hat das gut in seinem
Interview erklärt und ja, ich finde, jeder hat Reicht auf eine gute
Verteidigung!
·
Herr Hesse, warum gerade der Beruf eines
Strafverteidigers?
o
Ich habe den Beruf ergriffen, weil auch ein
Mensch, auch wenn er z. B. die Tat begangen hat, Recht auf ein faires Verfahren
hat. Ein ordentlicher Umgangston, anständige Behandlung und all das ist auch in
so einen Fall wichtig. Zwar ist dann am Ende des Verfahrens bewiesen, dass er
die Tat begangen hat, aber der gerechte Umgang soll trotzdem vorhanden sein.
·
Wie schließen sie die Gefühle aus, wenn sie
jemand verteidigen?
o
Ich schreibe die Gefühle weg, aber habe mit
„Rubel, Rotlicht und Raketenwerfer“ einen fiktiven Krimi vorgelegt, also keine
Tatsachen. Dann hilft mir viel mein Hobby, der Tango Argentino, die Familie und
Freunde und auch auf eine Art meine Arbeit, da ich neben dem Strafrecht noch
als Fachanwalt für Arbeitsrecht und im Wirtschaftsrecht unterwegs bin. Und dann
ist da ja noch mein Hund Anja (ich lache :-D)
·
Was ist, wenn bei psychisch kranken Straftätern doch
mal einer rückfällig wird?
o
Da steckt man nicht drin. Ich kann nicht in die
Leute hineinschauen. Eine große Rolle spielen dabei die Gutachter. Aber auch
die der Entwicklung. Die Richter müssen da meist auf die Richtigkeit der
Gutachten vertrauen. Um z. B. ordentlich zu verteidigen, besuche ich die Leute
in der Haftanstalt oder der forensischen Psychiatrie, rede mit Ihnen.
o
Ich habe z. B. einen Mandanten jährlich in der
geschlossenen Anstalt besucht. Dessen Erkrankung konnte durch die Behandlung
zurückgedrängt und letztlich geheilt werden. Der hat während des Aufenthaltes
in der Psychiatrie, eine Ausbildung gemacht. Dann kam er vor der endgültigen
Entlassung in ein betreutes Wohnen und holte sein Abitur nach. Das ist alles
sehr kostspielig aber dieser Fall zeigt, wie sehr es sich lohnt, um jeden
Menschen zu kämpfen. Auch in solchen Fällen muss man dann auf den Gutachter
vertrauen können. Außerdem muss man als Strafverteidiger neugierig sein, sonst
würde ich die Arbeit gar nicht machen können.
·
Sie sprechen oft ja mit Tätern. Haben Sie da
auch schon mal Angst, diesem gegenüber zu sitzen?
Wenn es sich um schwerste
Verbrechen handelt, dann begegnet man den Mandanten meist schon in der
Untersuchungshaft oder in der Psychiatrischen Anstalt. Diese äußeren Umstände
gehen an den meisten Tätern nicht unbeeindruckt vorbei. Es ist eben nicht die
Tatsituation, in der Opfer diesen Menschen ausgeliefert waren. Die Furcht, dann
bezüglich einer hohen Strafe, liegt eher auf der Seite meiner Mandanten.
·
Was war der Fall, der Ihnen am meisten im
Gedächtnis geblieben ist, oder am längsten?
Das ist ein Fall, in dem der Mandant sich am Abend nach der
Urteilsverkündung das Leben genommen hat.
·
Wie kam es dazu, Bücher über Ihre Arbeit zu
schreiben?
Ich schreibe seit meiner frühen Jugend. Da musste ich auch viel
recherchieren. Nun kommt der Stoff für die Bücher durch die Arbeit als Anwalt
zu mir.
·
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Der ist meist durch Routinearbeiten geprägt: Aktenstudium über hunderte
oder in großen Ermittlungsverfahren über tausende Seiten, Literatur- und
Rechtsprechungsrecherchen, Mandantengespräche und Gerichtstermine.
·
Gab es auch positive Erlebnisse mit Tätern?
Ja, immer wieder. Und das ist auch das Schöne an der Arbeit. Wenn
Menschen nach begangener Tat und Tatverbüßung, auch nach Wiederholungstaten,
dann doch ihr Leben in den Griff bekommen, Familien gründen, einer Arbeit
nachgehen, sich der Freundeskreis wandelt und auch sie glückliche Momente
erleben. Das freut mich dann sehr. Es sind ja häufig Menschen, die eine
glücklose Kindheit und wenig Liebe und Zuneigung erfuhren; solche, die kaum
Chancen hatten, sich selbst zu finden oder zu verwirklichen.
· Wie reagieren die Menschen auf Sie, wenn Sie sich mit Ihrem Beruf
vorstellen?
Das ist völlig unterschiedlich und
situationsabhängig. Nicht selten wird man mit Vorurteilen dergestalt
konfrontiert, dass die Arbeit von Strafverteidigern darin bestünde
unverbesserliche Kriminelle durch Tricks und Lügen vor der Strafe zu bewahren.
Aber wie in allen Lebensbereichen gibt er verständige Menschen und solche, bei
denen es kaum lohnt, in Ihnen
bezüglich ihrer Vorurteile Zweifel zu wecken.
·
Verfolgen Sie das Ende der Fälle?
Ja natürlich und noch viel weiter darüber hinaus. Das ist ja das
eigentlich Interessante an dem Beruf. Für einen Richter ist der Fall meist mit
der Verurteilung, für einen Staatsanwalt mit der Strafvollstreckung beendet.
Den Mandanten begegnet man in der Kanzlei auch später, wenn sie ein anderes
Problem haben, sei es bei der Arbeit oder einem Verkehrsunfall. Es ist
interessant zu sehen, wie Menschen sich entwickeln und auch verändert mit
Konfliktsituationen umgehen.
·
Wie schaffen Sie es, unvoreingenommen und
neutral zu arbeiten?
Unvoreingenommen ist man als Anwalt, weil man schon ausreichend Fälle
gesehen hat, in denen sich die ursprünglichen Vorwürfe als unzutreffend
erwiesen haben. Neutral muss man als Anwalt nicht sein. Man ist zwar ein Organ
der Rechtspflege aber man hat die Interessen des Mandanten zu vertreten. Man
steht also deutlich im Lager einer Partei.
· Welche
Art von Menschen kann Ihnen noch
Angst machen?
Intolerante und selbstgefällige Menschen.
·
Lehnen Sie Fälle ab?
Ja, dass passiert; auch im laufenden Verfahren. Das sind meist
Situationen, in denen Mandanten beratungsresistent sind oder den Anwalt noch in
ihre schmutzigen Geschäfte hineinziehen wollen.
·
Ist es Ihnen manchmal unangenehm einem Mörder
gegenüber zu sitzen?
Da
fällt eine Antwort wirklich schwer. Man müsste überlegen, ob es Situationen
gibt, die einem selbst zum Mörder werden lassen könnten; zum Beispiel aus
Rache, weil einem nahen Angehörigen etwas wirklich Schlimmes angetan wurde.
Dann käme man schnell darauf, dass es die unterschiedlichsten Menschen und
Motive für solche Taten gibt. Und auch bei solchen durchaus verständlichen,
aber gleichwohl strafbewehrten Taten hatte ich schon zu verteidigen. Aber um
ihre Frage ganz kurz zu beantworten: richtig angenehm ist es eigentlich nie.