Interviews

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Sonntag, 14. April 2019

Interview mit einem ....Kriminaisten Teil 3


Auf der Buchmesse habe ich durch Zufall den Stand vom Verlag Kirchschlager gefunden. Der hat mich sehr angesprochen, da dieser Wahre Kriminalitätsbücher unter anderem vertreibt. An diesem Stand waren auch zwei nette Herren, mit denen ich gleich ins plaudern gekommen bin. Und dabei erklärte sich Kriminalrat a.D. Lothar Schirmer bereit, mir einen Einblick in seinem damaligen Berufsleben zu geben. Vielen Dank, Herr Schirmer. Jahre lang arbeitete er als Kriminalist. Er war Gast bei "Kripo live", „Escher – der MDR Ratgeber“ und viele anderen Sendungen.
Nun ist Herr Schirmer aber auch Schriftsteller. Doch nicht ihm möchte ich ein wenig aushorchen, sondern der Person Kriminalrat a. D.

  • Sie sind Kriminalrat a. D.  Wie kam es zu dem Beruf, diesen Werdegang.
    • Eigentlich wollte ich Lehrer werden. Ich habe mein Abitur an der Erweiterten Oberschule (EOS) in Havelberg gemacht. In der 11. Klasse habe ich die Aufnahmeprüfung an der Pädagogischen Hochschule in Halle (Saale) bestanden aber nach dem Abitur wurde ich für 18 Monate zur NVA eingezogen. Da verschob sich der Studienbeginn unfreiwillig.
  • Warum gerade diese Richtung?
    • In einem Kurzurlaub während meiner Armeezeit (1969) sprach mich der ABV (Abschnittsbevollmächtigter der Volkspolizei) meines Heimatortes Klietz an und fragte, ob ich nicht Lust hätte bei der Kriminalpolizei anzufangen. Nun ja, damals lief im DDR-Fernsehen die Serie „Blaulicht“. Ich fand es interessant, wie die Kriminalisten der Serie mit dem Wartburg Kombi durch das Land fuhren und Kriminalfälle lösten. Solche banalen Ereignisse können einen Lebensweg ändern. Ich sagte mein Lehrerstudium ab und begann nach dem Wehrdienst im September 1970 als Kriminalassistent im damaligen VPKA (Volkspolizei Kreisamt) Magdeburg. Später folgte ein Kriminalassistentenlehrgang in Potsdam und dann das Studium an der Fachschule des Ministeriums des Innern „Wilhelm Pieck“ in Aschersleben, Fachrichtung Kriminalpolizei.
  • Sie sprachen oft ja mit Tätern. Hatten Sie da auch schon mal Angst, diesem gegenüber zu sitzen?
    • Nein. Selbst Gewalttäter, die sich in der Gruppe vor Gleichgesinnten durch besondere Brutalität hervortaten, sind in der Regel recht kleinlaut und darauf bedacht, die eigene Haut zu retten, wenn sie vernommen werden.
  • Was war der Fall, der Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben ist, oder am längsten?
    • Im Februar 1982 bin ich mit meiner Diensthabenden Gruppe der Kriminalpolizei (DHG – heute vergleichbar mit dem Kriminaldauerdienst), gemeinsam mit Einsatzkräften der Schutzpolizei und der Sowjetarmee (GSSD – Garnison der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland) an der Verfolgung eines sowjetischen Fähnrichs beteiligt gewesen, der aus der Einheit geflohen war und 6 seiner Kameraden vorher erschossen hatte. Mit einem Oberleutnant der GSSD und einem Offizier des KGB trafen wir auf den Geflüchteten, der sich in der Garderobe einer Disco versteckt hatte. Hier gab es eine wilde Schießerei und die Explosion einer Handgranate. Alles hautnah. Das möchte man nicht noch einmal erleben aber wenn man es als Kriminalist erlebt und heil überstanden hat, gibt es einem ein Stück Erfahrung, die einem auf keiner Schule beigebracht werden kann.
  • Wie kam es dazu, Bücher über Ihre Arbeit zu schreiben?
    • Ich habe nach 1990, im vereinten Deutschland den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Kriminalprävention in Magdeburg aufgebaut. In der Folgezeit habe ich mit vielen Geschädigten die Opfer von Betrugsdelikten und Trickdiebstählen wurden gesprochen. Ihre Geschichten habe ich aufgeschrieben und zur Kriminalitätsvorbeugung im Fernsehen, Radio und den Printmedien verwendet. Diese Sammlung bildete die Basis für die Geschichten, die ich in meinen beiden Büchern „Die Tricks derGauner und Ganoven“ und „Abgezockt von Gaunern und Ganoven“ aufgeschrieben habe.
  • Wie sah im Allgemeinen Ihr Arbeitsalltag aus?
    • In den 40 Jahren bei der Kriminalpolizei habe ich von klassischen Verfolgungsjagten über Brandstiftungen, Morde und Vergewaltigungen alles erlebt, was die Palette der Kriminalität hergibt. Da gab es akribische Tatortarbeit, stundenlange Vernehmungen und nervende Schreibtischarbeit. In den letzten 20 Jahren machten enger Kontakt zu den Menschen bei Vorträgen und die Zusammenarbeit mit den Medien meine Arbeit in einer anderen Weise interessant.
  • Und jetzt, wie ist Ihr Alltag?
    • Als ich 2010 in den Ruhestand ging, bekam ich vom MDR das Angebot über mehrere Jahre in loser Folge Präventionsbeiträge für das Fernsehen und das Radio zu produzieren. Seit dieser Zeit gehöre ich zu den Senioren-Sicherheitsberatern. Das ist eine Gruppe ehemaliger Polizeibeamter, die in Ihrer Freizeit Kriminal- und Verkehrsprävention bei Vorträgen vor älteren Menschen betreiben.
  • Was taten Sie, um von Ihrer Arbeit abzuschalten?
    • Das Familienleben pflegt. Ich bin seit 47 Jahren verheiratet, habe zwei erwachsene Söhne und eine Enkelin. Damals, als meine Söhne noch klein waren, waren wir oft mit dem Trabbi und einem Zelt unterwegs. Zum Abschalten habe ich gern meine Gitarre in die Hand genommen und Songs aus den 60ern gespielt.
  • Gab es auch positive Erlebnisse mit Tätern?
    • Nicht jeder ist ein unverbesserlicher Verbrecher. Da brachten oft tragische Umstände oder der falsche Umgang einen Menschen dazu straffällig zu werden. Vielen hat man angemerkt, dass sie ehrlichen Herzens da raus wollen und nicht wenige von ihnen haben es auch geschafft. Ein Familienvater, der mit Frau und zwei Kindern unterwegs war, hat mich vor einigen Jahren auf einem Volksfest angesprochen. „Herr Schirmer, erinnern Sie sich noch an mich? Sie haben mich damals vernommen als ich mit meinen Kumpels eine Strohmiete angesteckt hatte ...“. Na ja, der hat den rechten Weg gefunden.
  • Wie reagieren die Menschen auf Sie, wenn Sie sich mit Ihrem Beruf vorstellen?
    • Zu DDR-Zeiten mit sehr viel Respekt, nach der Wende meist freundlich, weil mich viele aus den Medien kennen.
  • Verfolgten Sie das Ende der Fälle?
    • Nein. Die abschließende Bearbeitung und die Übergabe der Fälle an die Staatsanwaltschaft übernahm meist ein spezieller Bereich der Kriminalpolizei.
  • Wie schafften Sie es, unvoreingenommen und neutral zu arbeiten?
    • Das lernt man im Laufe der Zeit. Wichtig ist es, dass man die Fälle emotional nicht zu dicht an sich heranlässt. Es ist eine Arbeit, die sachlich, nüchtern und mit hoher Qualität, abseits von persönlichen Emotionen erledigt werden muss.
  • Welche Art von Menschen kann Ihnen noch Angst machen?
    • Menschen, die keine Achtung vor dem Leben anderer haben. Denen es an Toleranz gegenüber Andersdenkenden fehlt und die sich anmaßen über Leben und Tod anderer entscheiden zu können.
  • Lehnten Sie Fälle ab?
    • Nein. Die Bearbeitung von Fällen ist meist Teamarbeit.
  • Was ist der Unterschied zwischen einen Kriminalisten und einem Diplomkriminalist?
    • Die Regel war zu DDR-Zeiten eine Ausbildung als Kriminalist in einer Fachschule der Polizei. 1961 wurde an der Humboldt-Universität Berlin (Ost) der Studiengang Kriminalistik geschaffen. Damit hatten Absolventen die Möglichkeit den akademischen Grad des Diplomkriminalisten zu erwerben. Die Absolventen wurden in der Regel in leitende Funktionen bei der Kriminalpolizei eingesetzt.
  • Was macht für Sie Ihre Arbeit so besonders? 
      • Wenn man diesen Beruf mit Leidenschaft lebt, ist es einer der interessantesten, die ich mir vorstellen kann.
 
Zu dem, was ich jetzt als pensionierter Kriminalbeamter so alles mache, erfahren Sie mehr auf meiner Internetseite www.gauner-und-ganoven.de.


beide Bilder sind vom Verlag Kichschlager 

Und zum Schluß noch eine  interessant Information über Lothar Schirmer. Er ist der Moderator von Schirmer, Charme und Melone

Sonntag, 7. April 2019

Verlagsinterview Fehnland - 1 Jahr danach

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Bild von Fehnland Verlag
Der Fehnland Verlag hat am 3. April seinen 2. Geburtstag gefeiert. Grund genug, den Gründer Dr. Michael Kracht nochmals zu interviewen. Was hat sich getan in dem einen Jahr, wo es diesen Verlag schon gibt. Ein Interessantes Gespäch erneut auf dem braunen Sofa beim kleinen Bücherzimmer.
Vielen Dank Michael!


  • Wie kommt man zu seinem eigenen Verlag?
    • Die Kurzfassung: Man geht zu seinem zuständigen Ordnungsamt und meldet den Verlag als Gewerbe an; kostet 30 € - fertig, jetzt ist man Verleger.  Die ausführlichere Version: Ich habe immer schon sehr viel gelesen und während meiner Arbeit auf langen Reisen auch angefangen, kurze Geschichten aufzuschreiben. Nach der Beteiligung an einer ersten Anthologie („Der Tag der toten Katze“, Leseratten-Verlag) habe ich Gefallen daran gefunden und selbst eine Autorengruppe ins Leben gerufen. Es entstand die Krimi-Anthologie „teilweise tödlich“, die wir 2016 im Wiener Karina-Verlag veröffentlichen konnten. Das Buch erlebte in kurzer Zeit zwei weitere Auflagen; die beteiligten Autoren wollten unbedingt weitermachen. Also gründete ich einen eigenen Verlag. Heute haben wir 19 Buchtitel im Programm und weitere sechs in der Planung für dieses Jahr.
  • Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Deinem Verlag aus?
    • Es gibt keinen festen Ablauf – der Tag startet meistens mit Büroarbeit, Rechnungen, Buchführung. Am Nachmittag sitze ich dann an Texten – neuen Texten, die mir Autoren zugeschickt haben, und am Lektorat der geplanten Titel. Dann mache ich den Buchsatz, programmiere die E-Books, entwerfe Flyer und Plakate, plane die Beteiligung an Buchmessen – etwa 4 oder 5 jedes Jahr – und versuche möglichst bis 20:00 Uhr Feierabend zu machen, was aber nicht immer gelingt.
  • Was ist das Besondere an diesem Verlag?
    • Als 1-Mann-Verlag kann ich nicht alles machen – das musste ich erst einmal begreifen! Heute beschränke ich mich auf drei klar umrissene Genres: Krimis, Gesellschaftsromane und ab Anfang Mai auch historische Romane.
  • Werbung für den Verlag, wie gestaltet diese sich?
    • Ein wunder Punkt: Werbung ist teuer, als kleiner Verlag kann ich leider nicht alles machen, was ich gerne möchte. Wir sind im Internet und in Social Media - also Facebook und Instagram - präsent, daneben gibt es für Interessierte einen regelmäßigen Newsletter. Für die einzelnen Buchtitel produzieren wir Postkarten, Lesezeichen, Flyer oder auch mal Plakate. Dazu gibt es ein gedrucktes Verlagsprogramm, das vor allem an Buchhandlungen verschickt wird. Dann besuchen wir – ich habe es oben schon erwähnt – 4 oder 5 Mal im Jahr Buchmessen; wir waren jetzt gerade in Leipzig, im Mai sind wir auf der Minipressen Messe in Mainz, und im November wieder auf der BuchBerlin. Buchmessen sind wichtig, da treffen wir unsere Leser, aber auch viele Buchhändler und Verleger-Kollegen.
  •  Wie kommt der Preis von einem Buche zustande?
    • Das ist eine – nicht leichte – Abwägung zwischen den reinen Kosten und der Erwartung des Marktes. Der Markt möchte natürlich möglichst billige Bücher, auf der anderen Seite muss ich sehen, dass ich die Kosten eines Buches auch wieder hereinbekomme. Unsere Taschenbücher liegen zwischen 12 und 16 Euro, je nach Umfang, und die E-books kosten 4,49 oder 4,99 Euro.
  • Wie siehst Du das Verhältnis von E-Books und gebundenen Büchern?  Gibt es vielleicht bald keine gedruckten Bücher mehr? Oder ist so ein Ebook eine gute Ergänzung?
    • Ich bin sicher, dass gedruckte Bücher nicht aussterben werden. In unserem Verlag machen die Ebooks etwa 10% vom Umsatz aus. Aber Ebooks sind ganz sicher auch eine gute Ergänzung. Ich nutze selber einen Reader, wenn ich auf Reisen bin; da sind mir Bücher einfach zu schwer (es ist ja nie nur ein einziges 😊).
  • Was zeichnet in Deinen Augen ein gutes Buch aus?
    • Ein gutes Buch muss den Leser zufriedenstellen, das ist am wichtigsten. Es muss ihn eventuell zum Nachdenken anregen, oder ihn für eine Zeit angenehm unterhalten. Bücher, die der Leser nach einigen Seiten entnervt zur Seite legt, haben ihre Daseinsberechtigung verfehlt! Natürlich gehört zu einem guten Buch auch eine gute handwerkliche Qualität, das heißt, die Rechtschreibung und Grammatik müssen stimmen, die Herstellung des Buches muss in Ordnung sein, der Druck muss lesefreundlich sein.
  • Wie viele Autoren arbeiten derzeit für Deinen Verlag?
    • Wir haben zurzeit etwa 20 Autoren unter Vertrag, dazu kommen noch die Autoren für unsere Krimi-Anthologie-Reihe „teilweise tödlich“ – wir arbeiten gerade am fünften Band. Da sind nochmal je 15-20 Autoren beteiligt.
  • Gibt es Autoren, von denen Du unbedingt mal gerne was verlegen würdest?
  • Die erfahrenen Autoren sind wohl alle bei einem Verlag unter Vertrag und werden keinen Grund haben, zu einem Kleinverlag wie uns zu wechseln. Aber es gibt ganz sicher Autoren – auch bekannte Krimiautoren -, die ich niemals verlegen würde. Aber die werde ich hier nicht benennen 😊.
  • Welche Voraussetzungen muss für Dich ein Manuskript erfüllen, damit es in die engere Auswahl für eine Veröffentlichung gelangt?
    • Es muss spannend sein – egal, ob Krimi oder historischer Roman – und man muss das Potenzial des Autors erkennen können. Wenn die Leseprobe schon erkennen lässt, dass noch gewaltige Arbeit geleistet werden müsste, um das Manuskript druckreif zu bekommen, dann lasse ich lieber die Finger davon. Wie gesagt: Ich bin ein 1-Mann-Verlag mit sehr begrenzten Ressourcen.
  • Wie unterstützt Du die Autoren in Bezug auf Werbung?
    • Internet. Social Media, Flyer, Postkarten, Unterstützung bei Lesungen – aber die Autoren müssen auch selbst aktiv werden, und zum Beispiel ihre Fangruppen im Internet und auf Facebook ansprechen.
  • Wie kommen die Autoren auf den Verlag / bzw. zu diesen Verlag? Welche Kriterien sind da auschlaggebend?
    • Das müsste man besser die Autoren fragen. Viele Autoren meines Verlages haben zum Beispiel in den Krimi-Anthologien mitgeschrieben und sind mir dabei als „begabt“ aufgefallen. Aber das ist nur ein Weg. Viele Autoren sind auch durch eine Vermittlung von Freunden oder anderen Autoren auf uns aufmerksam geworden.
  • Wie sieht die Zukunft aus oder wie könnte die Zukunft aussehen?
    • Die Zukunft bringt vor allem viel Arbeit 😊. Ich habe bereits auf unserer Internetseite ankündigen müssen, dass wir in diesem Jahr kein Manuskript mehr annehmen können, weil unsere Kapazität einfach erschöpft ist. Natürlich gibt es immer Ausnahmen bei besonders interessanten Projekten. Zum Beispiel habe ich gerade die deutschen Rechte für einen skandinavischen Krimiautor übernommen – vier Bände liegen schon vor, weitere sind in der Planung. Ein anderes spannendes Projekt sind unsere historischen Romane. Wir haben dafür extra ein Imprint – also eine Untergruppe des Verlages – gegründet: „Edition Theophanus Töchter – Starke Frauen im Mittelalter“. Die ersten drei Manuskripte liegen vor und im Mai werden die ersten beiden Romane erscheinen. Es geht dabei immer um „Lebensabenteuer“ der historisch belegten Personen; die Abenteuer sind zum Teil erfunden, aber die Personen sind echt.
  • Deine Buchempfehlung für die Leser?
    • Aus meinem Verlag? Da möchte ich am liebsten das allererste Buch des Fehnland-Verlages empfehlen: „Vatermord“ von Gunnar Lade. Ein sehr spannender Krimi um die Hintergründe des Kennedy-Attentates vor 50 Jahren, und als „Folge“ ein Attentat auf den Papst. Fiktion – aber sehr realistisch geschrieben!
  • Und zu guter Letzt, gibt es ein besonderes Erlebnis im Verlag /vom Verlag?
    • Kein Erlebnis, aber ein Ereignis: Im kommenden November werden zwei Autoren aus unserem Verlag (Manfred Lukaschewski und Steintór Rasmussen) auf einer Krimi-Kreuzfahrt durch den Nordatlantik („Crime Cruise“) über die Färöer-Inseln nach Island und zurück teilnehmen und dabei aus ihren – unseren – Büchern lesen. Und einige hundert Krimifans werden zuhören.

Mittwoch, 3. April 2019

Interview mit einem ... Kriminalisten Teil 2

Wieder ist es mir gelungen, eine  interessante Persönlichkeit für ein Interview auf meinen braunen Sofa zu bitten. Diesmal ist es Kriminalist a. D., den ich auf der Leipziger Buchmesse 2019 getroffen habe.  Ich sage jetzt schon mal vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen habe, Herr Thiers.
Beginnen möchte ich dieses Interview mit einer Kurzbiografie. 
  
                          Kurzbiografie
Hans Thiers wurde am 21.Juni 1946 in Wegefarth, Kreis Freiberg, geboren. Nach der Schule und  der Lehrausbildung absolvierte er ab November 1965 seinen Wehrdienst in der Sportkompanie in Dresden. Durch „Täve Schur“ entdeckte er den Radsport für sich und begann 1962 seine sportliche Laufbahn bei der BSG Einheit Freiberg. Sein sportliches Können konnte er dort innerhalb  des DDR-Maßstabes bei zahlreichen Straßenrennen erfolgreich unter Beweis stellen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits  15 offene DDR Straßenradrennen  gewonnen und eine Vielzahl von Top-Platzierungen erreicht. Er schaffte es bis in die  DDR-Jugendauswahlmannschaft. Um seine sportliche Laufbahn weiter verwirklichen zu können, wurde er zur Bereitschaftspolizei nach Dresden  in die Sportkompanie eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt gehörte er  der Dynamo-Auswahl an und hatte erste internationale Einsätze in Polen und in der Sowjetunion. Mit der Dynamoauswahl bestritt er 1966 erfolgreich die DDR- Rundfahrt. Nach Beendigung seines Wehrdienstes erfolgte im Mai 1967  die Delegierung   zum Bahn-Radsportleistungszentrum  der SG Dynamo-Gera-Mitte. Er wurde als Sportinstrukteur in der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Gera eingestellt. Hans Thiers konnte jetzt sein Hobby zum Beruf machen. Im Zeitraum von 1968 bis Ende 1971 erreichte er eine Vielzahl von sportlichen Erfolgen. So nahm er an den Wettkämpfen der „Berliner Winterbahn“ teil und konnte 15 nationale und internationale Bahnrennen gewinnen. Dazu kamen in dieser Zeit weitere Erfolge und Top-Platzierungen bei Bahn-und Straßenrennen in der DDR, CSSR, Sowjetunion, VR Rumänien und der VR Polen. Insgesamt erreichte er etwa 60 Siege und  eine Vielzahl von vorderen Platzierungen bei Straßen-und Bahnrennen auf nationaler und internationaler Ebene.
Ende 1971 wurde das Bahn-Radsportleistungszentrum Gera aufgelöst. Zum Jahresende 1971 beendete er deshalb seine sportliche Laufbahn und begann ab 1. Januar 1972 eine neue Tätigkeit als Sportoffizier in der BDVP Gera. Nach der Absolvierung eines 6monatigen Dienstanfängerlehrgangs der DVP wurde er im Mai 1973 in die Morduntersuchungskommission der BDVP Gera als Untersuchungsführer versetzt. Hans Thiers absolvierte danach ein 4jähriges Fernstudium an der Fachschule der Deutschen Volkspolizei Ascherleben, welches er 1977 als Staatswissenschaftler – Fachrichtung Kriminalistik – erfolgreich abschloß. Danach studierte er von 1978 bis 1983 – wiederum im Fernstudium - an der Humboldt-Universität zu Berlin und erreichte den Akademischen Grad  des „Diplomkriminalisten“. Im Herbst 1980 wurde ihm die Leitung der Morduntersuchungskommission des Bezirkes Gera übertragen.                                                                                                       
 Diese Funktion übte er bis zum 30.September 1990 aus und wurde als „Kriminalrat a.D.“ aus dem aktiven Dienst der Deutschen Volkspolizei entlassen.
Im Zeitraum Oktober 1990 bis Dezember 1992 war er bei zwei Versicherungsunternehmen im Außendienst beschäftigt.  Am 01.01.1993 begann er als Direktionsbeauftragter bei der Sparkassenversicherung  Hessen/Thüringen, Bezirksdirektion Gera, seine Tätigkeit. 1996 wurde er in diesem Unternehmen zum Organisationsleiter berufen. Diese Tätigkeit übte Hans Thiers bis zu seiner Berentung  im Jahre 2011 aus.
Hans Thiers ist seit 1969 verheiratet und hat zwei Kinder und 2 Enkelkinder. Seit 1967 arbeitet und wohnt er in Gera.
Am 24. August 2014 erschien sein  erstes Buch “Mordfälle im Bezirk Gera I“. Dieses Buch wurde sehr erfolgreich von den Leserinnen und Lesern angenommen. Band I wurde bis jetzt in 7 Auflagen vervielfältigt. Auf Grund starker Nachfragen der Leser und vor allem der Buchhandlungen erschien am 23.10.2015 sein zweites Buch: „ Mordfälle im Bezirk Gera Band II“. Im März 2018 wurde die 3. Auflage gedruckt. Anlässlich der Leipziger Buchmesse im März 2018, erschien sein drittes Buch „ Serienmörder der DDR“ Dieses Buch ist bereits in 2 Auflagen erschienen
Im Zeitraum  24.August 2014 bis zum 31.Dezember 2018 führte er zusammen mit seinem Verleger Michael Kirchschlager etwa 250 Lese-Interviews in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt erfolgreich durch. In der Regel waren diese Veranstaltungen zu über 90 % ausverkauft.
Interviews im MDR-Radio, Vogtlandradio und Fernsehreportagen im ZDF, RBB und MDR folgten:
-  12. September 2014, “MDR Thüringen-Journal“ - Beitrag  über die Entstehung sowie  Vorstellung  Band I „ Mordfälle im Bezirk Gera “.
-  24. Oktober 2015, „MDR-Thüringen-Journal“ - Vorstellung „Mordfälle im Bezirk Gera Band II“, mit dem 3fach Mord von Könitz 1947/1951.
- 23.November 2015, „Hallo Deutschland„ - Kindestötung Juli 1973 Neustadt/Orla - Dieser Fernseh-Beitrag wurde mehrfach in der „Drehscheibe Deutschland“ sowie in „Hallo Deutschland“ ausgestrahlt.
- 13.Mai 2017, „MDR-Thüringen-Journal“ - Leseinterview „ Mordfälle im Bezirk Gera I und II“ im Schloß Nimritz
-13. und 20.September.2017, „RBB“ - Sendung „Täter-Opfer-Polizei“, Beitrag: „Die Transitleiche von Bad Klosterlausnitz“.
-13. Dezember 2017, „MDR“, Sendung Peter Escher „ Spur der Täter“, Beitrag: „Die Transitleiche von Bad Klosterlausnitz“
-Desweiteren wurden 2018 Beiträge zu den Tötungsverbrechen „Doppelmord von  Gera“  und „ Doppelmord von Bürgel“  für „ZDF Info“,  „Hallo Deutschland“ und Drehscheibe Deutschland“   gedreht und bereits mehrfach ausgestrahlt.  

     Sehr interessant finde ich und beantwortet schon die Fragen "  Sie waren Kriminalrat.  Wie kam es zu dem Beruf, diesen Werdegang?· und    „Warum gerade diese Richtung?“

Und gehts aber los mit dem Interview. Seid Ihr schon gespannt?  
·       Sie sprachen oft ja mit Tätern. Hatten Sie da auch schon mal Angst, diesem gegenüber zu sitzen?
o   Beschuldigtenvernehmungsarbeit gehörte zur Tätigkeit eines jeden  Kriminalisten. Entscheidend war, daß man sich  körperlich und geistig auf  so eine anspruchsvolle Vernehmung intensiv vorbereitete: Erstellung eines exakten Vernehmungsplans. Alle der bis dahin  ermittelten Untersuchungsergebnisse, objektiven Spuren, Hinweise aus der  Alibiüberprüfung, Sektionsergebnisse usw. mussten  in die Beschuldigtenvernehmung  als konkrete Fragestellungen bzw. als Vorhalte eingebaut werden. Angst hatte ich nie vor solchen Tätern. Sie werden oft intelligenter hingestellt, als sie wirklich sind. 
·       Was war der Fall, der Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben ist, oder am längten?
o    Es war der Stadtwaldmord von Gera (1976), als ein Pädophiler ein 9jähriges Mädchen  sexuell mißbrauchte und anschließend brutal tötete. Oder die Vermißtensache Michaela Wagner aus Gera. Das Verbrechen haben wir nicht aufgeklärt und das Mädchen nie gefunden. Und auch die 6fach Babytötung von Zeulenroda im Zeitraum von 1975 bis 1983. Damals einmalig in der DDR!
·       Wie kam es dazu, Bücher über Ihre Arbeit zu schreiben?
o    Ich lernte 2012/2013 meinen Verleger Michael Kirchschlager aus Arnstadt während einer Lesung, die er mit meinem Erfurter Kollegen, Klaus Dalski,  in der Bibliothek in Gera durchführte, kennen. Er animierte mich, mein Arbeitsleben in der Morduntersuchungskommission (MUK) aufzuschreiben. 
·       Wie sah im allgemeinen Ihr Arbeitsalltag aus?
o    In der Morduntersuchungskommission zu arbeiten, war der berufliche Höhepunkt eines jeden Kriminalisten. Die MUK war eine operative Einheit, die für die Aufdeckung, Aufklärung und Untersuchung von Tötungsverbrechen im Bezirk Gera verantwortlich war.  In jedem Bezirk der DDR gab es eine Morduntersuchungskommission. Berlin hatte zwei dieser Kommissionen       
o   Gab es den geringsten Verdacht eines Tötungsverbrechens im Bezirk, übernahm die MUK die weiteren Untersuchungen im Zusammenwirken mit den entsprechenden  Kriminalisten des  jeweiligen Volkspolizeikreisamtes. Bei Notwendigkeit,  wurden weitere Kriminalisten zugeordnet bzw. die „Erweiterte Morduntersuchungskommission“  dem MUK-Leiter unterstellt.
·       Und jetzt, wie ist Ihr Alltag?
o    Durch meine 3 Bücher bin ich monatlich oft zu Lesungen unterwegs. Wir haben seit August 2014 mehr als 250 Lesungen, vor etwa 20.000 Besuchern, durchgeführt. Mein Verleger und ich sind bereits für 2019 für Lesungen weitestgehend ausgebucht. Ansonsten gehe ich wöchentlich meinem Sport nach, und im Sommer wartet wieder die Gartenarbeit. Desweiteren betreuen meine Frau und ich gern unser inzwischen 2jähriges Enkelkind, was uns viel Freude bereitet. 
·       Was taten Sie, um von Ihrer Arbeit abzuschalten?
o     Auch während meiner Tätigkeit habe ich mich schon immer sportlich betätigt, da konnte ich abschalten. Weiterhin haben uns unsere zwei Kinder in Anspruch genommen. Da mußte Beruf und Familie gut organisiert werden, zumal wir auf keine Hilfe der Grosseltern zurückgreifen konnten, die nicht vor Ort waren.  Das klappte ganz gut. 
·       Gab es auch positive Erlebnisse mit Tätern?
o   Positive Erlebnisse mit Tätern waren, wenn sie geständnisbereit waren und mit ihnen zielgerichtet vernehmungsmäßig und kriminalistisch gearbeitet werden konnte.
·       Wie reagieren die Menschen auf Sie, wenn Sie sich mit Ihrem Beruf vorstellen?
o    Die Leser und Zuhörer reagieren immer positiv. Sie erkennen an, daß die Kriminalisten / Diplomkriminalisten in der DDR eine hohe fachliche Ausbildung hatten. Die Aufklärungsergebnisse bei Mord und Totschlag  von 98 % im Bezirk Gera sprachen für sich. Die Aufklärung dieser Verbrechen betrug in der DDR zwischen 94 und 96 %!
·       Verfolgten Sie das Ende der Fälle?
o    Wenn ein Tötungsverbrechen ausermittelt war, wurde es dem Bezirksstaatsanwalt zu Anklageerhebung übergeben. Bei den Verhandlungen waren wir immer bis zur Urteilsverkündung dabei.
·       Wie schafften Sie es, unvoreingenommen und neutral zu arbeiten?
o    Jeder Kriminalist mußte unvoreingenommen ermitteln und sich an die gesetzlichen Grundlagen der DDR, d.h. das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung der DDR halten.
·       Welche Art von Menschen kann Ihnen noch Angst machen?
o    Eine schwierige Frage. Mir macht die jetzige Zeit ein wenig Angst, weil die Hemmschwellen der Brutalität stark gesunken sind!
·       Lehnten Sie Fälle ab?
o   . Es wurden keine Fälle abgelehnt. Wir hatten den Auftrag, Tötungsverbrechen möglichst schnell aufzuklären. Da spielte Zeit keine Rolle. War der Täter ermittelt, zog wieder kriminalistischer Alltag ein!
·       Was ist der Unterschied zwischen einen Kriminalisten und einem Diplomkriminalist?
o    Ein Kriminalist wurde an der Polizeifachschule in  Aschersleben im Direkt-oder Fernstudium ausgebildet. Ich habe an dieser Schule ein 4jähriges Fernstudium absolviert. Anschließend habe ich dann nach einem  5jährigen Fernstudium an der Sektion Kriminalistik der Humboldt Universität zu Berlin dieses als Diplomkriminalist abgeschlossen.
·       War es Ihnen manchmal unangenehm einen Mörder gegenüber zu sitzen
o    Es war mir nie unangenehm, einer Mörderin oder einem Mörder gegenüber zu sitzen. In diesem Zusammenhang ging es nur darum, diese  bzw. diesen  als Täterin / Täter zu überführen. Die Beweisführung in dem konkreten Fall war durch  kriminalistische Arbeit geprägt. Die stand im Mittelpunkt des Ermittlungsverfahrens.
·       Was macht für Sie Ihre Arbeit so besonders? 
o    Die Besonderheit dieser Arbeit war, daß man sich als Kriminalist mit seiner gesamten Persönlichkeit für die Aufklärung dieser schweren Straftaten einbringen konnte und die Opferfamilien und besonders auch die Bevölkerung in diesem Territorium wieder beruhigt ihren Alltag nachgehen konnten. Dafür sorgte damals unsere gute Polizei- und Kriminalistenarbeit.  

Also ich finde es sehr wichtig, die Arbeit von Kriminalisten. Und Herr Thiers hat uns ja einen interessanten Einblick in seinem ehemaligen Beruf gegeben. Ich finde den Beruf nicht gerade einfach. Umso mehr freut es mich, das Herr Thiers für mich Rede und Antwort gestanden hat. Nochmals vielen Dank dafür.

Hans Thiers mit Verleger Michael Kirchschlager
Hier nochmals die Auflistung seiner drei Bücher: