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Montag, 25. Januar 2021

Interview mit einer Autorin...diesmal Claudia Puhlfürst

Foto von kriminetz.de

Sie ist die Queen of Crime. Sie mag Horrorfilme und gruselt sich gerne. Sie gehört den mörderischen Schwestern an und schreibt auch über authentische Fälle der Rechtsmedizin und wahre Kriminalfällen.

Foto von lovelybooks.de

Vielfältig ist diese Autorin: Studierte, Hygieneinspektor, Dozentin für Anatomie und Physiologie des Menschen an der medizinischen Fachschule Zwickau , Köchin und Lehrerin für Biologie/Chemie . Redakteurin und Referentin und kriminelle Schreibtischtäterin. Es ist fast unendlich, was sie noch alles ist. Doch wer ist diese Person?

Claudia Puhlfürst hat auf meinen braunen Sofa Platz genommen und sich mal vorgestellt und ein wenig über ihre Bücher und Arbeit gesprochen. Vielen Dank, liebe Claudia

 

 

1.      Liebe Claudia, Du hast ja schon viele Krimis bzw. Bücher geschrieben. Unter anderen Tatsachenkrimis. Wie kamst Du auf Tatsachenkrimis?

 Mich faszinieren wahre Fälle. Die Abgründe menschlicher Psyche sind unermesslich. Das hat mich schon als Kind in seinen Bann gezogen. (Kann ich nachvollziehen, geht mir genauso)

Ich lese Fachliteratur, Gerichtsberichte, Bücher über Psychologie, von Profilern oder Analysen von Serienmördern. Allein in dem Buch „Die große Enzyklopädie der Serienmörder“ von Michael Newton finden sich unzählige Fallbeispiele. Es gibt wirklich ALLES. Bankraub, Briefmarkendiebstahl oder Einbrüche interessieren mich weniger. Bei mir ist es schon immer das „kranke Hirn“. Wahre Fälle faszinieren mich. Jeder meiner Täter hat ein Motiv. Es mag dem Leser vielleicht seltsam erscheinen, nicht nachvollziehbar, krankhaft, dennoch ist es für den Mörder selbst plausibel.

Die Fälle, die mich im Innersten berühren sind solche, bei denen (scheinbar) ein Einzeltäter, oft eine nach außen hin harmlos und nett erscheinende Person, "wie aus heiterem Himmel" solch eine Tat begeht. Dies führt zuerst einmal dazu, dass ich über den Täter nachdenke. Was brachte ihn dazu? War er schon immer gestört? Wieso beging er gerade jetzt solch eine Tat?

Ich habe eine Menge Material gesammelt und so war es irgendwann wohl unausweichlich, dass ich selbst über wahre Fälle schreibe.

          (Claudia, du bist mir sympathisch :-D)

2.      Was war Dein stärkstes Buch?

Bisher sind es zwei.

„Sensenmann“, weil ich glaube, dass mir der Plot besonders gelungen ist, und dass der Leser nicht so leicht auf die Lösung kommt.

Das zweite heißt „Keiner kennt die Wahrheit“ – ein opulentes großformatiges Buch mit rätselhaften ungeklärten Fällen, die mein geschätzter Kollege Ralf Alex Fichtner großartig illustriert hat. Hier faszinieren mich noch immer die mysteriösen Tode, die absolut unglaublichen Zusammenhänge der Kriminalfälle.

 

3.      Wie recherchierst Du für Deine Bücher?

Unterschiedlich. Bei aktuellen Fällen nutze ich das Internet oder Zeitungsarchive, in Deutschland führe ich Interviews. Vieles denke ich mir aus, prüfe dann aber alles nach, recherchiere psychologische Hintergründe, befrage Experten.

 

4.      Wärst Du lieber der Schurke oder der Gute in Deinen Krimis, falls Du dort eine Rolle spielen könntest?

Das ist eine fiese Frage…

Ich wäre lieber Schurke, glaube ich. So ein richtig durchgeknallter Psychopath.

 

5.      Hast Du lange gebraucht, um einen Verlag zu finden, der Deine Bücher druckt und herausbringt?

Das war sogar außerordentlich schwierig. Fast hätte ich aufgegeben, mein Manuskript läge noch heute in einer Schublade und ich glaubte, es sei schlecht geschrieben und nicht veröffentlichungswürdig.

Ich bin sicher, dass viele potentielle Autoren ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Ich habe dazu bestimmt zwei Jahre gebraucht. Zuerst bekam ich zahlreiche Ablehnungen von den großen Verlagen. Ich wusste ja damals noch nicht, dass unverlangt eingesandte Manuskripte gar nicht gelesen werden. Die Absagebriefe sind schon vorformuliert und es heißt darin „passt leider nicht in unser Verlagsprogramm“ oder „unser Programm für die nächsten Jahre steht schon fest“.

Irgendwann kommt man dann an den Punkt, an seinem eigenen Manuskript zu zweifeln, es für schlecht zu halten. Viele geben auf.

Ich habe es dann – das war Ende der 90-er Jahre – über das Internet versucht, Verlage angemailt, das Manuskript angeboten, und irgendwann einen klitzekleinen Verlag gefunden, der das Buch gern drucken wollte.

Inzwischen bin ich dort, wo ich hinwollte – bei einem großen Publikumsverlag (Blanvalet), der zu RANDOM HOUSE gehört.

 

6.      Du warst bestimmt nicht immer Autor. Welchen Beruf hast Du vor dem Schreiben ausgeführt und seit wann bist Du am Schreiben.

Nach dem Abitur wollte ich eigentlich Graphik studieren, hatte aber bei der Eignungsprüfung ziemliches Pech, da meine eingereichten Arbeiten nicht in Berlin angekommen waren.

Ich studierte schließlich etwas ganz anderes: Pädagogik mit der Fachrichtung Biologie/Chemie. Das Studium schloss mit einem Diplom, dem ersten akademischen Grad in der DDR, ab. Ich war drei Jahre im Schuldienst, habe dann – noch zu DDR-Zeiten – den Schuldienst verlassen, war dann Hygieneinspektor, Dozentin für Anatomie und Physiologie an der Medizinischen Fachschule und kehrte im August 1990 wieder in den Schuldienst zurück. Zehn Jahre später ging es nach Berlin – ich begann bei DUDEN als Redakteurin zu arbeiten. Später war ich Schulberaterin für Cornelsen und vor zehn Jahren schließlich kündigte ich, um freiberuflich tätig zu sein. Seitdem leite ich auch den Buchvolk-Verlag als Geschäftsführerin.

 

7.      Schreibst Du jetzt hauptberuflich?

Ja. Aber nicht nur schreiben, ich führe auch viele Veranstaltungen mit Kindern durch, leite Schreibworkshops, mache Lesungen, fahre zu Messen. (Da treffen wir uns ja immer!)

Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich ein Zeitproblem hatte. Fest angestellt zu sein und jedes Jahr ein Buch zu schreiben, führt dazu, dass ich gar keine Freizeit mehr hatte. Dazu kam, dass ich nie auf Lesereise gehen oder an Wochentagen Veranstaltungen durchführen konnte, geschweige denn zu Messen fahren konnte. Also hieß es, sich zu entscheiden: Sicheres Einkommen oder weiter Bücher schreiben. Ich konnte absehen, dass mein Einkommen für die nächsten Jahre gesichert sein würde; und so habe ich 2011 beschlossen, als freiberufliche Schriftstellerin zu arbeiten. Bis jetzt hat es geklappt.

 

8.      Hat sich Dein Leben verändert, als Du Dein erstes Buch herausgebracht hast?

Nein. Jedenfalls nicht sofort. Obwohl ich das in meiner Naivität zuerst tatsächlich gedacht habe… Ich habe weiter gearbeitet und „nebenbei“ weiter geschrieben.

Merkliche Änderungen haben sich erst nach Jahren ergeben, nach weiteren Büchern.

 

9.      Wie sieht momentan Dein Alltag aus? Wieviel Zeit verbringst Du mit dem Schreiben? Und wie baust Du den Alltag in das Schreiben ein?

Da ich „nachtaktiv“ bin, stehe ich nicht gern zeitig auf. Ich arbeite lieber nachmittags und bis in die Nacht hinein.

Doch das kann ich als Freiberufler ja auch: Ich selbst entscheide, wann ich was mache. Ich bestimme über meine Zeit, ich bin der Chef.

Die Kapitel schreibe ich hintereinander weg. Also so, wie sie dann auch gelesen werden.

Dann jedoch muss ich die Arbeit am Manuskript auch gleich als erstes erledigen. Denn ein Vergnügen ist es meist nicht. Es ist richtige Arbeit. Arbeit am Text, Arbeit mit der Sprache. Wenn ich einmal angefangen habe, dann läuft es aber schon ein paar Stunden. Ruhe brauche ich dabei schon. Ich bin ja beim Schreiben „mitten“ in der Geschichte. Störungen reißen einen aus der Situation heraus.

Wenn ich einen Abgabetermin habe, schreibe ich meist kontinuierlich, jeden Tag. Ich lese zuerst noch einmal das Anschlusskapitel – das hat den Vorteil, dass ich es dabei gleich überarbeiten kann – und beginne dann, weiterzuschreiben.

 

10.   Hast Du noch Projekte, die Du in Zukunft erreichen oder beenden willst?

Gerade habe ich zwei Adventskalender für die Firma ROTH geschrieben. Mit meinem Kollegen Ralf Alex Fichtner plane ich ein Buch über berühmte Serienmörder – er hat schon Zeichnungen dafür angefertigt. Recherchen zu wahren Fällen finde ich immer besonders spannend.  

(oh, darauf freue ich mich schon sehr!!)

Und: Ein Kinderbuch schwebt mir vor. Etwas Mystisches mit Phantasieelementen. Das geht mir schon lange im Kopf herum. Mal schauen, ob es was wird.

 

11.   Dein „neuestes“ Projekt war ja das Wannenbuch „Ein Einhorn taucht unter“? Wie kam es dazu?

Das neueste ist es nicht, inzwischen gibt es schon fünf Wannenbücher von mir. Aber entstanden ist das Ganze so:

 

Leserunde zu "Ein Einhorn taucht unter" von Claudia Puhlfürst - LovelyBooks
Foto von lovelybooks

Vor wenigen Jahren zur Leipziger Buchmesse… Ein netter junger Mann kam an unseren Stand und stellte sich vor. Jens Korch hatte bei der Freien Presse als Redakteur gearbeitet und danach einen Verlag gegründet: edition Wannenbuch. Ich schaute mir seine Wannenbücher an und war begeistert. Was für eine großartige Idee! Wasserfeste Bücher für die Badewanne! Es gibt Kurzgeschichten für jedes Genre. Kurze Zeit darauf wünschte sich der Verleger, dass ich ihm einen Kurzkrimi schreibe. Bedingung: Es musste etwas mit Einhörnern zu tun haben.

Ich gestehe: Dieser Trend war bis dato an mir vorbeigegangen. Als ich entdeckte, was für Produkte es alles mit Einhörnern gibt, war ich verblüfft. Und erstaunt, wie viel Geld manche dafür auszugeben bereit sind… Was, wenn man das letzte Einhorn umbrachte? So begann ich zu schreiben. Heute gehört diese Story zu meinen liebsten Geschichten. Es folgten ein Wannenbuch für die Kreuzfahrtlinie AIDA und die Trilogie über die „Silberfürstin“. Ein nächstes ist bereits in Arbeit.

         (Die Wannenbücher kann ich auch nur wärmstens empfehlen)

12.   Was hat dir dein Vater und was hat dir deine Mutter mitgegeben?

Mein Vater: Intelligenz, Kreativität und ein gutmütiges Wesen. Liebe zur Natur.

Meine Mutter: Intelligenz, Liebe zu Büchern.

 

13.   3 Dinge, die zu einem perfekten Tag dazu gehören?

Liebe Menschen und mein Hund.

Natur.

Ein gutes Buch.

Sorry – vier 😊

 

14.   Welcher Film bringt dich zum Lachen und welcher zum Weinen?

Zum Weinen: Herr der Gezeiten. Zeit des Erwachens

Zum Lachen: hm… Loriot-Filme.

 

15.   Welches Buch kannst du uneingeschränkt empfehlen und warum?

Da sind ganz viele…

Aber wenn ich mich beschränken muss: Alle Tony-Hill-Bücher von Val McDermid. Ich liebe sie! Sämtliche psychologischen Hintergründe stimmen. Die Figuren sind lebensecht. Sie versteht es meisterhaft, Spannung zu erzeugen.

 

16.   Lebensmotto?

Die wahren Abenteuer sind im Kopf (Andre Heller)

 

17.   Was würdest du deinen Lesern gerne einmal sagen?

Glaubt an Eure Fähigkeiten! Gebt nie auf!

 

 18.   Planst Du Deine Bücher immer von Anfang bis Ende oder verselbstständigt sich ein Charakter auch mal?

Ich habe die Grundhandlung, die Tat und den Täter ziemlich genau im Kopf. Was sich oft erst während der Geschichte ergibt, sind Nebenhandlungen, Erlebnisse meiner Serienfiguren. Da fließen auch viele Dinge ein, die mir im täglichen Leben begegnen.

Für die Verlage muss man ja ein ausführliches Exposé erstellen – Setting, Personen, Handlung. Vieles also steht vorher fest.

 

Schon bei den ersten Kapiteln meines ersten Buches musste ich dann zu meiner Überraschung feststellen, dass die Figuren ein Eigenleben entwickelten, so als seien sie zum Leben erwacht, und setzten nun ihren eigenen Kopf durch.

Heute ist das eher so, dass ich mich als einen außenstehenden Betrachter sehe, der die Figuren bei ihren Handlungen beobachtet; so, als ob man einen Film anschaut, und die Handlung dann aufschreibt.

 

19.   Hast du selber schon mal die Orte/Gegenden bereist von denen Du in deinen Romanen so schreibst? Und was lässt Dich immer wieder solche Orte für Deine Romane auswählen?

In Deutschland schon. Ich nehme gern Orte, die ich kenne. Dann kann ich sie auch realistisch beschreiben. Ich wähle gern Schauplätze, die zu „kriminellen Machenschaften“ passen, Gebirgswälder wie im Erzgebirge, wo ich herstamme, stillgelegte Steinbrüche, verfallene Fabriken und so weiter. Düster sollten sie sein und unheimlich. 

 

20.   Einmal ganz frech gefragt: Wieso führe ich das Interview mit dir?

Weil wir uns mögen? Weil ich Deine Tierliebe toll finde? Und Deine Steampunk-Accessoires? Weil Du gern Krimis liest?

(ja, ja, ja und ja :-D)

 

21.   Wie gehst du mit negativen Rezensionen um?

Ich ärgere mich. Dann versuche ich zu erkennen, was der Rezensent meint. Manchmal ist etwas Wahres dran. Manchmal sind es Neider.

 

22.   Was magst du überhaupt nicht in Büchern?

Sehr lapidare Sätze. Wenn jemand keine Ahnung von Erzählperspektiven hat. Nicht stimmige Plots und wenn sich jemand ersichtlich keine Mühe beim Schreiben gegeben hat.

 

Foto von puhlfuerst.com

Also das war ja ein sehr interessanter Einblick in dem Autorenleben von Claudia Puhlfürst. Ich fand spannend. Nagut, mag sein ,das ich auch ein totaler Fan von der Autorin bin *lach*.

Vielen Dank liebe Claudia für das ausführliche Interview!


Unter dem Link findet Ihr alle Werke von der Queen of Crime :-) (unten eine kleine Auswahl)

Sensenmann