Interviews

Interviews nicht nur mit Autoren, nein auch andere Interviews findet man hier.

Mittwoch, 3. April 2019

Interview mit einem ... Kriminalisten Teil 2

Wieder ist es mir gelungen, eine  interessante Persönlichkeit für ein Interview auf meinen braunen Sofa zu bitten. Diesmal ist es Kriminalist a. D., den ich auf der Leipziger Buchmesse 2019 getroffen habe.  Ich sage jetzt schon mal vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen habe, Herr Thiers.
Beginnen möchte ich dieses Interview mit einer Kurzbiografie. 
  
                          Kurzbiografie
Hans Thiers wurde am 21.Juni 1946 in Wegefarth, Kreis Freiberg, geboren. Nach der Schule und  der Lehrausbildung absolvierte er ab November 1965 seinen Wehrdienst in der Sportkompanie in Dresden. Durch „Täve Schur“ entdeckte er den Radsport für sich und begann 1962 seine sportliche Laufbahn bei der BSG Einheit Freiberg. Sein sportliches Können konnte er dort innerhalb  des DDR-Maßstabes bei zahlreichen Straßenrennen erfolgreich unter Beweis stellen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits  15 offene DDR Straßenradrennen  gewonnen und eine Vielzahl von Top-Platzierungen erreicht. Er schaffte es bis in die  DDR-Jugendauswahlmannschaft. Um seine sportliche Laufbahn weiter verwirklichen zu können, wurde er zur Bereitschaftspolizei nach Dresden  in die Sportkompanie eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt gehörte er  der Dynamo-Auswahl an und hatte erste internationale Einsätze in Polen und in der Sowjetunion. Mit der Dynamoauswahl bestritt er 1966 erfolgreich die DDR- Rundfahrt. Nach Beendigung seines Wehrdienstes erfolgte im Mai 1967  die Delegierung   zum Bahn-Radsportleistungszentrum  der SG Dynamo-Gera-Mitte. Er wurde als Sportinstrukteur in der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Gera eingestellt. Hans Thiers konnte jetzt sein Hobby zum Beruf machen. Im Zeitraum von 1968 bis Ende 1971 erreichte er eine Vielzahl von sportlichen Erfolgen. So nahm er an den Wettkämpfen der „Berliner Winterbahn“ teil und konnte 15 nationale und internationale Bahnrennen gewinnen. Dazu kamen in dieser Zeit weitere Erfolge und Top-Platzierungen bei Bahn-und Straßenrennen in der DDR, CSSR, Sowjetunion, VR Rumänien und der VR Polen. Insgesamt erreichte er etwa 60 Siege und  eine Vielzahl von vorderen Platzierungen bei Straßen-und Bahnrennen auf nationaler und internationaler Ebene.
Ende 1971 wurde das Bahn-Radsportleistungszentrum Gera aufgelöst. Zum Jahresende 1971 beendete er deshalb seine sportliche Laufbahn und begann ab 1. Januar 1972 eine neue Tätigkeit als Sportoffizier in der BDVP Gera. Nach der Absolvierung eines 6monatigen Dienstanfängerlehrgangs der DVP wurde er im Mai 1973 in die Morduntersuchungskommission der BDVP Gera als Untersuchungsführer versetzt. Hans Thiers absolvierte danach ein 4jähriges Fernstudium an der Fachschule der Deutschen Volkspolizei Ascherleben, welches er 1977 als Staatswissenschaftler – Fachrichtung Kriminalistik – erfolgreich abschloß. Danach studierte er von 1978 bis 1983 – wiederum im Fernstudium - an der Humboldt-Universität zu Berlin und erreichte den Akademischen Grad  des „Diplomkriminalisten“. Im Herbst 1980 wurde ihm die Leitung der Morduntersuchungskommission des Bezirkes Gera übertragen.                                                                                                       
 Diese Funktion übte er bis zum 30.September 1990 aus und wurde als „Kriminalrat a.D.“ aus dem aktiven Dienst der Deutschen Volkspolizei entlassen.
Im Zeitraum Oktober 1990 bis Dezember 1992 war er bei zwei Versicherungsunternehmen im Außendienst beschäftigt.  Am 01.01.1993 begann er als Direktionsbeauftragter bei der Sparkassenversicherung  Hessen/Thüringen, Bezirksdirektion Gera, seine Tätigkeit. 1996 wurde er in diesem Unternehmen zum Organisationsleiter berufen. Diese Tätigkeit übte Hans Thiers bis zu seiner Berentung  im Jahre 2011 aus.
Hans Thiers ist seit 1969 verheiratet und hat zwei Kinder und 2 Enkelkinder. Seit 1967 arbeitet und wohnt er in Gera.
Am 24. August 2014 erschien sein  erstes Buch “Mordfälle im Bezirk Gera I“. Dieses Buch wurde sehr erfolgreich von den Leserinnen und Lesern angenommen. Band I wurde bis jetzt in 7 Auflagen vervielfältigt. Auf Grund starker Nachfragen der Leser und vor allem der Buchhandlungen erschien am 23.10.2015 sein zweites Buch: „ Mordfälle im Bezirk Gera Band II“. Im März 2018 wurde die 3. Auflage gedruckt. Anlässlich der Leipziger Buchmesse im März 2018, erschien sein drittes Buch „ Serienmörder der DDR“ Dieses Buch ist bereits in 2 Auflagen erschienen
Im Zeitraum  24.August 2014 bis zum 31.Dezember 2018 führte er zusammen mit seinem Verleger Michael Kirchschlager etwa 250 Lese-Interviews in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt erfolgreich durch. In der Regel waren diese Veranstaltungen zu über 90 % ausverkauft.
Interviews im MDR-Radio, Vogtlandradio und Fernsehreportagen im ZDF, RBB und MDR folgten:
-  12. September 2014, “MDR Thüringen-Journal“ - Beitrag  über die Entstehung sowie  Vorstellung  Band I „ Mordfälle im Bezirk Gera “.
-  24. Oktober 2015, „MDR-Thüringen-Journal“ - Vorstellung „Mordfälle im Bezirk Gera Band II“, mit dem 3fach Mord von Könitz 1947/1951.
- 23.November 2015, „Hallo Deutschland„ - Kindestötung Juli 1973 Neustadt/Orla - Dieser Fernseh-Beitrag wurde mehrfach in der „Drehscheibe Deutschland“ sowie in „Hallo Deutschland“ ausgestrahlt.
- 13.Mai 2017, „MDR-Thüringen-Journal“ - Leseinterview „ Mordfälle im Bezirk Gera I und II“ im Schloß Nimritz
-13. und 20.September.2017, „RBB“ - Sendung „Täter-Opfer-Polizei“, Beitrag: „Die Transitleiche von Bad Klosterlausnitz“.
-13. Dezember 2017, „MDR“, Sendung Peter Escher „ Spur der Täter“, Beitrag: „Die Transitleiche von Bad Klosterlausnitz“
-Desweiteren wurden 2018 Beiträge zu den Tötungsverbrechen „Doppelmord von  Gera“  und „ Doppelmord von Bürgel“  für „ZDF Info“,  „Hallo Deutschland“ und Drehscheibe Deutschland“   gedreht und bereits mehrfach ausgestrahlt.  

     Sehr interessant finde ich und beantwortet schon die Fragen "  Sie waren Kriminalrat.  Wie kam es zu dem Beruf, diesen Werdegang?· und    „Warum gerade diese Richtung?“

Und gehts aber los mit dem Interview. Seid Ihr schon gespannt?  
·       Sie sprachen oft ja mit Tätern. Hatten Sie da auch schon mal Angst, diesem gegenüber zu sitzen?
o   Beschuldigtenvernehmungsarbeit gehörte zur Tätigkeit eines jeden  Kriminalisten. Entscheidend war, daß man sich  körperlich und geistig auf  so eine anspruchsvolle Vernehmung intensiv vorbereitete: Erstellung eines exakten Vernehmungsplans. Alle der bis dahin  ermittelten Untersuchungsergebnisse, objektiven Spuren, Hinweise aus der  Alibiüberprüfung, Sektionsergebnisse usw. mussten  in die Beschuldigtenvernehmung  als konkrete Fragestellungen bzw. als Vorhalte eingebaut werden. Angst hatte ich nie vor solchen Tätern. Sie werden oft intelligenter hingestellt, als sie wirklich sind. 
·       Was war der Fall, der Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben ist, oder am längten?
o    Es war der Stadtwaldmord von Gera (1976), als ein Pädophiler ein 9jähriges Mädchen  sexuell mißbrauchte und anschließend brutal tötete. Oder die Vermißtensache Michaela Wagner aus Gera. Das Verbrechen haben wir nicht aufgeklärt und das Mädchen nie gefunden. Und auch die 6fach Babytötung von Zeulenroda im Zeitraum von 1975 bis 1983. Damals einmalig in der DDR!
·       Wie kam es dazu, Bücher über Ihre Arbeit zu schreiben?
o    Ich lernte 2012/2013 meinen Verleger Michael Kirchschlager aus Arnstadt während einer Lesung, die er mit meinem Erfurter Kollegen, Klaus Dalski,  in der Bibliothek in Gera durchführte, kennen. Er animierte mich, mein Arbeitsleben in der Morduntersuchungskommission (MUK) aufzuschreiben. 
·       Wie sah im allgemeinen Ihr Arbeitsalltag aus?
o    In der Morduntersuchungskommission zu arbeiten, war der berufliche Höhepunkt eines jeden Kriminalisten. Die MUK war eine operative Einheit, die für die Aufdeckung, Aufklärung und Untersuchung von Tötungsverbrechen im Bezirk Gera verantwortlich war.  In jedem Bezirk der DDR gab es eine Morduntersuchungskommission. Berlin hatte zwei dieser Kommissionen       
o   Gab es den geringsten Verdacht eines Tötungsverbrechens im Bezirk, übernahm die MUK die weiteren Untersuchungen im Zusammenwirken mit den entsprechenden  Kriminalisten des  jeweiligen Volkspolizeikreisamtes. Bei Notwendigkeit,  wurden weitere Kriminalisten zugeordnet bzw. die „Erweiterte Morduntersuchungskommission“  dem MUK-Leiter unterstellt.
·       Und jetzt, wie ist Ihr Alltag?
o    Durch meine 3 Bücher bin ich monatlich oft zu Lesungen unterwegs. Wir haben seit August 2014 mehr als 250 Lesungen, vor etwa 20.000 Besuchern, durchgeführt. Mein Verleger und ich sind bereits für 2019 für Lesungen weitestgehend ausgebucht. Ansonsten gehe ich wöchentlich meinem Sport nach, und im Sommer wartet wieder die Gartenarbeit. Desweiteren betreuen meine Frau und ich gern unser inzwischen 2jähriges Enkelkind, was uns viel Freude bereitet. 
·       Was taten Sie, um von Ihrer Arbeit abzuschalten?
o     Auch während meiner Tätigkeit habe ich mich schon immer sportlich betätigt, da konnte ich abschalten. Weiterhin haben uns unsere zwei Kinder in Anspruch genommen. Da mußte Beruf und Familie gut organisiert werden, zumal wir auf keine Hilfe der Grosseltern zurückgreifen konnten, die nicht vor Ort waren.  Das klappte ganz gut. 
·       Gab es auch positive Erlebnisse mit Tätern?
o   Positive Erlebnisse mit Tätern waren, wenn sie geständnisbereit waren und mit ihnen zielgerichtet vernehmungsmäßig und kriminalistisch gearbeitet werden konnte.
·       Wie reagieren die Menschen auf Sie, wenn Sie sich mit Ihrem Beruf vorstellen?
o    Die Leser und Zuhörer reagieren immer positiv. Sie erkennen an, daß die Kriminalisten / Diplomkriminalisten in der DDR eine hohe fachliche Ausbildung hatten. Die Aufklärungsergebnisse bei Mord und Totschlag  von 98 % im Bezirk Gera sprachen für sich. Die Aufklärung dieser Verbrechen betrug in der DDR zwischen 94 und 96 %!
·       Verfolgten Sie das Ende der Fälle?
o    Wenn ein Tötungsverbrechen ausermittelt war, wurde es dem Bezirksstaatsanwalt zu Anklageerhebung übergeben. Bei den Verhandlungen waren wir immer bis zur Urteilsverkündung dabei.
·       Wie schafften Sie es, unvoreingenommen und neutral zu arbeiten?
o    Jeder Kriminalist mußte unvoreingenommen ermitteln und sich an die gesetzlichen Grundlagen der DDR, d.h. das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung der DDR halten.
·       Welche Art von Menschen kann Ihnen noch Angst machen?
o    Eine schwierige Frage. Mir macht die jetzige Zeit ein wenig Angst, weil die Hemmschwellen der Brutalität stark gesunken sind!
·       Lehnten Sie Fälle ab?
o   . Es wurden keine Fälle abgelehnt. Wir hatten den Auftrag, Tötungsverbrechen möglichst schnell aufzuklären. Da spielte Zeit keine Rolle. War der Täter ermittelt, zog wieder kriminalistischer Alltag ein!
·       Was ist der Unterschied zwischen einen Kriminalisten und einem Diplomkriminalist?
o    Ein Kriminalist wurde an der Polizeifachschule in  Aschersleben im Direkt-oder Fernstudium ausgebildet. Ich habe an dieser Schule ein 4jähriges Fernstudium absolviert. Anschließend habe ich dann nach einem  5jährigen Fernstudium an der Sektion Kriminalistik der Humboldt Universität zu Berlin dieses als Diplomkriminalist abgeschlossen.
·       War es Ihnen manchmal unangenehm einen Mörder gegenüber zu sitzen
o    Es war mir nie unangenehm, einer Mörderin oder einem Mörder gegenüber zu sitzen. In diesem Zusammenhang ging es nur darum, diese  bzw. diesen  als Täterin / Täter zu überführen. Die Beweisführung in dem konkreten Fall war durch  kriminalistische Arbeit geprägt. Die stand im Mittelpunkt des Ermittlungsverfahrens.
·       Was macht für Sie Ihre Arbeit so besonders? 
o    Die Besonderheit dieser Arbeit war, daß man sich als Kriminalist mit seiner gesamten Persönlichkeit für die Aufklärung dieser schweren Straftaten einbringen konnte und die Opferfamilien und besonders auch die Bevölkerung in diesem Territorium wieder beruhigt ihren Alltag nachgehen konnten. Dafür sorgte damals unsere gute Polizei- und Kriminalistenarbeit.  

Also ich finde es sehr wichtig, die Arbeit von Kriminalisten. Und Herr Thiers hat uns ja einen interessanten Einblick in seinem ehemaligen Beruf gegeben. Ich finde den Beruf nicht gerade einfach. Umso mehr freut es mich, das Herr Thiers für mich Rede und Antwort gestanden hat. Nochmals vielen Dank dafür.

Hans Thiers mit Verleger Michael Kirchschlager
Hier nochmals die Auflistung seiner drei Bücher:




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen